Wir müssen ja wirklich zugeben: Hierzulande lebt es sich noch wie im Schlaraffenland. Unsere Sorge gilt weniger dem leeren Bauch, sondern dem verwöhnten. Wer heutzutage „en vogue“ sein möchte, muss den nächsthöheren Einweihungsgrad in Sachen Nahrungsaufnahme anstreben und erreichen.
Es reicht nicht mehr aus, den Unterschied zwischen „Gourmet“ und „Gourmand“ zu kennen. Nein, nein, Gelüste, Gebissform und auch Länge der Eingeweide werden Gewissensprüfungen unterzogen. „Gehöre ich zur Gattung der Pflanzen-, Fleisch- oder Allesfresser?“
Nicht genug. Der große Unterschied richtet sich nach der Antwort auf die Frage: „Sind sie Ovo-Lacto-Vegetarier, Ovo-Vegetarier, Lacto-Vegetarier, Veganer, Flexitarier, Pescetarier, Freeganer, Frutarier, Warrior, Rohköstler, Instinktler oder etwa ein Makrobiotiker?“ Es gehört längst zum trendy Knigge-Standardprogramm, bewegt die Gemüter bei Anmache- und Business-Smalltalks. „Welches Sternzeichen sind sie?“ ist Schnee von gestern. Wer etwas auf sich hält, outet seine politische Einstellung und finanziellen Verhältnisse, ja seinen gut- oder bösmenschlichen Charakter, indem er aufzählt, was, wann und wie er etwas isst.
Darum gilt: Beim Freeganer müssen Sie sich auf ein Abendessen aus dem Mülleimer einstellen. Mit dem Frutarier werden Sie auf das Menü unter einem Baum warten, bis Ihnen das Abendessen auf den Kopf fällt. Der „Warrior“ kämpft tagsüber gegen Blutzuckerschwankungen und Mittagstief, deshalb isst er nur in der Nacht. Die Flexitarier, zu denen übrigens der Hälfte von uns deutschen Schlaraffianer gehört, sind TeilzeitVegetarier, die gerne über „glückliche“ Bio-Schnitzel herfallen. Sollten Sie aber mal auf einen Gran Canarier treffen, dann ist das kein fleischeshungriger Kannibale, sondern schlicht und einfach nur ein Spanier.